Das Paradox von «sich wider Willen für alles zuständig fühlen» und «loslassen wollen» kennen viele Mütter. Das lässt manche ihre Mutterschaft bereuen – nur redet kaum jemand darüber.
Der Hasthag #regrettingmotherhood ist mir vor kurzem wieder begegnet. Eine Mutter gab in einem Interview erschreckenderweise zu, ihre Mutterschaft zu bereuen. Wie kann sie nur? Die Kommentare waren entsprechend harsch. Auch ich war erst etwas befremdet, schliesslich sind meine Kinder das Beste, was mir je passiert ist (nach meinem Mann, ohne den es die Kids ja auch nicht gäbe).
Bereue ich meine Kinder?
Seither geht mir die Frage nicht mehr aus dem Kopf. Bereue ich meine Kinder? Wäre ich glücklicher ohne? Denn ja, auch meine geliebten Kids sind manchmal unausstehlich, mühsam, anstrengend und sogar richtig fies. Zweifellos. Doch würde ich sie wieder hergeben? Natürlich nicht!
Meine Kinder sind mir die wichtigsten Menschen in meinem Leben!
Bereue ich es, einen Sohn zu haben, der mich zum Lachen bringt, singt wie ein Superstar, herzlich, knuddelig und überhaupt der Beste ist? Oder meine Tochter, die so smart ist, dass ich manchmal sprachlos bin? Die jetzt schon mehr von Humanität und Liebe versteht, als ich es je werde und überhaupt die Beste ist? Natürlich nicht! Ich kann es nicht genug betonen, meine Kinder sind mir die wichtigsten Menschen in meinem Leben!
Manchmal wäre ich gerne keine Mutter
Bereue ich es indes, Mutter geworden zu sein? Ja, oft. Zu oft. Nicht immer, auch nicht immer öfter, aber eben doch oft. Nämlich dann, wenn ich mich wieder einmal für alles und jeden in der Familie verantwortlich fühle. Dann, wenn ich wieder einmal merke, dass nichts funktioniert, wenn ich mich nicht darum kümmere. Wenn ich die Kinder jede Woche, jeden Tag, ja stündlich auf ihre Aufgaben aufmerksam machen muss, weil sonst wieder alles liegen bleibt. Ob das jetzt Haushaltsfragen, Hausaufgaben oder Zähneputzen ist. Manchmal mag ich nicht mehr. Manchmal wäre ich gerne keine Mutter.
Das merke ich daran, dass ich mir dann in immer kürzeren Abständen wünsche, allein zu verreisen. Irgendwo in eine Blockhütte an einem See. Ich, der See, ein Cheminée und ein paar Hirsche. Keine Verantwortung, keine anderen Menschen, niemand, der etwas von mir will, ob das jetzt Hilfe in Lebensfragen ist oder die Info, ob wir noch Joghurt haben.
Loslassen heisst das Zauberwort
Nun frage ich mich natürlich, ob ich die Einzige bin, die so fühlt. Wahrscheinlich nicht. Aber wieso sprechen Mütter nicht darüber? Weil sie dann ihre Kinder in einem negativen Licht präsentieren würden? Weil sie ihr Leben infrage stellen müssten?
Andererseits ist mir bewusst, dass ich selbst das Problem bin. Ich bin ein Kontrollfreak, ich will alles im Griff haben. Mein Business, meine Leben, meine Kinder. Und da die Kinder jetzt Teenager sind, habe ich sie je länger, desto weniger unter Kontrolle. Und ja, das ist normal. Aber eben nicht einfach. «Loslassen» heisst das Zauberwort.
Aber heute, wo sie immer selbstständiger werden – oder werden sollen – merke ich, wie schlecht ich loslassen kann.
Hätte man mich vor zehn Jahren gefragt, hätte ich gelacht und behauptet, dass ich die Letzte bin, die nicht loslassen kann. Ich hatte nie Probleme, meine Kinder betreuen zu lassen, ohne sie ins verlängerte Wochenende zu fahren. Ihre Hausaufgaben haben mich nur dann interessiert, wenn sie Hilfe brauchten. Und auch dann war ich der Ansicht, sie sollen doch lieber die Lehrerin fragen.
Welchen Einfluss habe ich noch?
Aber heute, wo sie immer selbstständiger werden – oder werden sollen – merke ich, wie schlecht ich loslassen kann. Denn es liegt nicht mehr immer an mir, ob sie glücklich und zufrieden sind. Ob sie eine Lehrstelle finden, die Schule bewältigen können oder mit Drogen in Kontakt kommen. Welchen Einfluss habe ich noch? Immer weniger, das ist sicher.
Dieses Paradox von «sich wider Willen für alles zuständig fühlen» (macht euren Mist selber!) und «loslassen wollen» (könnt ihr das denn überhaupt?) kennen viele Mütter. Ob diese ihre Mutterschaft auch manchmal bereuen? Darüber redet kaum jemand. Vielleicht sollten wir dieses Gespräch vermehrt führen. Geteiltes Leid ist ja bekanntlich halbes Leid.
Erschienen im Mamablog am 10.04.2023.