Warum entscheiden sich Männer dafür, in einem höheren Alter Vater zu werden? Die Beweggründe, Risiken und die Dynamik von späten Vätern und ihren Kindern.
Schauspieler Robert De Niro wurde kürzlich im Alter von 79 Jahren zum siebten Mal Vater, Designer Roberto Cavalli bekam mit 82 Jahren sein sechstes Kind, und Hollywood-Star Al Pacino wurde im stolzen Alter von 83 zum vierten Mal Vater. Diese Männer bekamen also in einem Lebensabschnitt Kinder, in dem andere bereits ihre Enkel auf dem Schoss wiegen.
Alles nur ein Privileg der Berühmten und Reichen? Keineswegs, wie sich herausstellt. Späte Vaterschaft ist ein Trend, der sich in den letzten Jahren bestätigt hat. Immer mehr Männer entscheiden sich dafür, später im Leben ein Kind zu bekommen, sei es in einer zweiten Ehe oder zum ersten Mal. Die Zahl hat sich in der Schweiz in den letzten 25 Jahren verdreifacht. Im Jahr 1996 wurden lediglich 625 Babys von Vätern über 50 Jahren geboren, während es 2022 knapp 1800 waren.
Doch warum wollen sich Männer das antun, wenn sie eigentlich gemütlich auf dem Sofa liegen und die Nächte durchschlafen könnten?
«Ich nehme meine Rolle als Vater viel bewusster wahr als bei meinem ersten Kind, so war ich in meiner ersten Vaterschaft vor allem auf mein berufliches Vorwärtskommen fokussiert.» Der pensionierte Bankfilialleiter, der mit 50 Jahren noch mal Vater wurde, tat damit in erster Linie seiner zweiten Frau einen Gefallen, weil sie sich eine Familie wünschte und er sie nicht verlieren wollte. Bereut hat er es nie. Im Gegenteil.
Andreas, ein Freelance Creative Director, teilt diese Ansicht ebenfalls. Mit 45 Jahren wurde er zum zweiten Mal Vater. Für ihn ist die eher späte Vaterschaft ein Segen: «Ich betrachte die Welt wieder durch Kinderaugen und versuche, diese neu erworbene Gelassenheit auch in meinen Berufsalltag einzubringen.»
Er macht sich lediglich Gedanken darüber, ob er der jüngeren Generation immer gerecht werden kann, und fragt sich gelegentlich: «Ob ich als Grossvater noch etwas taugen werde?» Momentan fühlt er sich gerade noch fit genug, um mit seinem Sohn mitzuhalten. Das Alter spielt also doch eine Rolle.
Aber auch Frauen haben es mit der Familienplanung weniger eilig als noch vor 20 Jahren. Die Gründe liegen auf der Hand: Junge Frauen machen längere Ausbildungen und sind häufiger berufstätig; der Kinderwunsch wird erst später aktuell. Daher ist es nur logisch, dass auch das Alter der Väter steigt, zumal ihre biologische Uhr langsamer tickt als die der Frauen.
Risiken für Mutter und Kind
Ganz risikofrei scheint aber eine späte Vaterschaft nicht zu sein. Eine Studie des «British Medical Journals» hat gezeigt, dass das Risiko für Schwangerschaftsdiabetes steigt, wenn der Vater bei der Geburt über 50 ist. Auch Frühgeburten und ein geringes Geburtsgewicht werden «alten» Spermien zugeschrieben.
Krankheiten wie Autismus und Schizophrenie werden gemäss dem Zentrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie am Universitätsklinikum Münster ebenfalls mit dem Alter der Väter in Verbindung gebracht. Daher raten Experten Männern unter 40 zum Einfrieren und Lagern ihrer Spermien (Kryokonservierung). Schliesslich werden Eizellen für eine spätere Familienplanung ebenso eingefroren.
Späte Väter leben gesünder
Sollten Männer also von einer späten Vaterschaft absehen? Aus gesundheitlicher Sicht kann sich eine späte Vaterschaft lohnen. Denn Männer, die mit über 50 Vater werden, rauchen seltener und treiben häufiger Sport, wie eine Studie des Universitätsklinikums Hamburg zeigt. 42 Prozent von ihnen gehen regelmässig zur medizinischen Vorsorge, während es bei den jungen Vätern nur 20 Prozent sind. Zudem leiden im Alter zwischen 60 und 69 nur 18 Prozent der späten Papas an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, im Gegensatz zu 40 Prozent der jüngeren Väter.
«Körperlich bin ich fitter als zuvor, auch weil ich gemeinsam mit den Kindern Sport treibe.», erzählt Joachim und geniesst seine späte Vaterschaft im Alter von 51 Jahren. Denn nicht nur körperlich, sondern auch geistig finde er den Raum, um den Kindern Priorität zu geben. «Andere Aktivitäten kann ich gut zurückstellen, oder ich verspüre gar kein Bedürfnis, da ich mich bereits genug ausleben konnte.»
Der Elektroingenieur bildet eine Ausnahme unter den befragten Vätern. So war seine späte Vaterschaft keine Folge einer zweiten Ehe, sondern eine bewusste Entscheidung. «Mir war es wichtig, die richtige Frau zu finden und erst einmal die Paarbeziehung zu leben, bevor wir Kinder bekommen. Das hat Zeit gebraucht.»
Eine bewusste Wahl
Ältere Männer erwägen in der Regel gründlich, ob sie Vater werden wollen. Die sogenannten Start-over-Dads streben danach, in einem zweiten Anlauf alles richtig zu machen. Sie möchten mehr Zeit für ihr Kind haben, eine Zeit, die ihnen möglicherweise in jungen Jahren gefehlt hat, als sie sich auf ihre Karriere konzentrierten. Die befragten Männer sind beruflich etabliert und finanziell abgesichert, und sie sind bereit, zu Hause mehr Verantwortung zu übernehmen.
Diese Erkenntnis teilt auch Doula und Hebamme Sandra Ackermann aus Zürich. Sie empfindet ältere Väter als engagierter, aber auch kritischer. «Sie hinterfragen mehr.» Dennoch gibt es aus ihrer Sicht kein «richtiges Alter», um Vater zu werden. «Ausser der finanziellen Situation, die bei älteren Vätern oft besser ist.»
Und was sagen die Kinder dazu?
In einer Untersuchung unter der Leitung von Professor Wassilios E. Fthenakis, dem Direktor des Staatsinstituts für Frühpädagogik (IFP) in München und Professor für Entwicklungspsychologie und Anthropologie an der Freien Universität Bozen, wurden Kinder danach befragt, wie sie ihre älteren Väter wahrnehmen. Die Ergebnisse spiegeln das wider, was auch im befragten Umfeld zum Vorschein kam: Ein Mangel an gegenseitigem Verständnis, ein als altmodisch empfundener Erziehungsstil und eine unterschiedliche Weltanschauung führen oft zu einem grösseren Generationenkonflikt als in anderen Familien.
In einer Umfrage von «20 Minuten» im vergangenen Jahr wurden Leserinnen und Leser gefragt, wie sie mit dem Alter ihres Vaters umgehen. Den meisten ist es gleichgültig, dass ihr Vater älter ist. Einige bedauern jedoch, dass ihre Väter höchstwahrscheinlich die eigenen Enkelkinder nie kennen lernen werden.
Gemäss den Untersuchungen von Fthenakis treten Konflikte zwischen älteren Vätern und ihren Kindern erst in der Pubertät auf. Themen wie Alkohol, Drogen und Sexualität sind schwieriger zu besprechen. Einige Jugendliche empfinden es als herausfordernder, sich aufzulehnen, da sie keine typische «Sturm-und-Drang-Zeit» mit ihren älteren Vätern erlebt haben. Zudem werden höhere Ansprüche an Ausbildung und Leistung im Vergleich zu Freunden mit jüngeren Vätern gestellt.
Die Gesellschaft und die Fettnäpfchen
Und wie reagiert die Gesellschaft, das Umfeld dieser älteren Väter? Die Toleranz gegenüber ihnen ist sicherlich gestiegen, wie es oft der Fall ist, wenn man ein Phänomen häufig genug sieht. Dennoch hat Andreas öfter Kommentare gehört wie: «Die Kurve gerade noch gekriegt, was?» Dabei ist er nur etwa fünf Jahre später dran als die meisten seiner Freunde.
Auf die Frage, ob sie es wieder genauso machen würden, antworten alle interviewten Väter entschieden mit einem Ja. «Aber nur mit der passenden Partnerin!»
Dieser Artikel erschien erstmals in der Sonntagszeitung vom 06.04.2024.