Bevor ich selber schrieb, dachte ich immer, ein Roman schreibe sich in einem Stück. Man fängt am Anfang an und hört beim Ende auf. Aus einem Guss, der Geniestreich, der einen packt und den perfekten Roman kreiert. Öhmmm… Dem ist nicht ganz so. Das merke ich jetzt, da ich „fertig“ bin. Nur… bin ich das wirklich?
Ich sitze auf einer kleinen griechischen Insel und beantworte eine WhatsApp einer Freundin. „Wie läuft dein Buch?“ fragt sie. „Ich bin fertig, inklusive Epilog“, schreibe ich zurück. Und merke, wie ich gleich beim Absenden an dieser Aussage zweifle.
Bin ich fertig? Was heisst das überhaupt? Es ist ja nicht so, dass meine Schreibe über alle Zweifel erhaben ist und ich das Gefühl habe, der Roman sei perfekt. Es ist auch nicht so, dass ich ihn nicht schon x mal überarbeitet hätte. Details, Dialoge, Lesbarkeit, Verständlichkeit, historische Recherchen verfeinert. Doch wann ist ein Roman fertig?
Was ich ja früher dachte, stimmt bei mir insofern, dass ich die Geschichte an einem Stück schrieb. Diese war aber weder druckwürdig, noch habe ich am Anfang angefangen und am Ende geendet. Viel mehr hatte ich Szenen im Kopf, die ich runter geschrieben habe, Gedankengänge und Gefühle meiner Figuren, die ich loswerden musste. So entstand meine Geschichte, ähnlich wie ein Kuchenrezept, bei dem der Teig als Erstes gemischt wird, weil er dann noch aufgehen muss. Währenddessen werden die Früchte geschnitten, der Ofen vorgeheizt und das Geschirr abgewaschen.
Die Sache ist die, dass diese Geschichte schon sehr lange ihn meinem Kopf existiert. Als einzelne Episoden, als Erinnerungen (ob erzählte oder selbst erlebte fühlt sich genau gleich an). Die Geschichte ist ja zum allergrössten Teil nicht meine Geschichte, sondern jene meiner Familie. Das sind Anekdoten, die über die Jahrzehnte immer wieder erzählt und wahrscheinlich der Dramaturgie zuliebe auch verzerrt wurden. Diese Geschichten geistern in jeder Familie rum. Bei manchen spielt die Weltgeschichte dabei eine Rolle, bei anderen weniger.
Nun bin ich also fertig. Aber eben nicht ganz. Es gibt immer noch zu tun. Oder gebe ich das nur vor, weil ich Angst davor habe, fertig zu sein und es dem Verlag schicken zu müssen? Das könnte durchaus sein, ein Buch schreiben ist mit viel Angst gekoppelt, Angst vor dem Leser, Angst vor dem leeren Blatt, Angst vor Kritik. Und wer könnte mehr Kritik ausüben, als ein Verlag, dem man sein Innerstes nach aussen gekehrt (auch Manuskript genannt) zusendet und der darüber entscheidet, ob das Werk was taugt?
Ich bin also fertig. Und mache mir in die Hose.
Dass mein Mann den Roman gerade liest, hilft der Hose nicht gerade. Er ist mein wichtigster Testleser. Denn er liest eigentlich nicht. Keine Romane. Nur meinen. Und seine Meinung ist mir deshalb umso wichtiger. Denn wenn ein Nichtleser die Figuren spürt und an den Orten weilt, die ich beschrieben habe, dann ist mein Ziel erreicht. Und wenn nicht? Ich bin fertig. Fix und fertig.